Acht bis zwölf Luftmaschen – der Anfang ist getan. Unzählige Häkelstunden später ist aus Tausenden Maschen eine bizarre, bunte Koralle entstanden. Eine von rund zweitausend Handarbeitsstücken, die sich zu einem spektakulären Kunstwerk zusammenfügen werden: dem Baden- Baden Satellite Reef im Museum Frieder Burda.
Ein Unterwasserwelt im Kunstmuseum
Ab Ende Januar 2022 werden sich die Ausstellungsräume des Museums in eine große, farbenprächtige Unterwasserwelt verwandeln, die viele Hundert Menschen in unzähligen Häkelstunden erschaffen haben. Eine große Community hat Masche an Masche gefügt, in allen Formen und Farben die Kreativität ausgelebt und ein Riff entstehen lassen, das so vielfältig ist wie sein Ebenbild in der Natur.
Was die Häkelkünstlerinnen und -künstler eint, ist die Begeisterung für diese Idee, die so einfach wie schön ist: die Natur nachzuahmen und damit auf ihre Zerstörung und Bedrohung aufmerksam zu machen.
Doch was treibt so viele Menschen an, sich an diesem Kunstprojekt zu beteiligen? Es scheint, als sehnten sie sich danach, die Welt wieder zu „reparieren“, um sie so erleben zu können, wie sie sie noch in Erinnerung haben. Dabei kreativ werden zu können und obendrein auch noch aktiv etwas Gutes für die Weltmeere zu tun, ist für viele Anreiz genug. Ästhetisch, kraftvoll, nicht zu übersehen sind ihre Werke. Pink, neon oder grellgrün – die Leuchtkraft der Farben macht gute Laune.
Auf die Zerstörung der Natur aufmerksam machen
Der Zustand der Korallen in den Weltmeeren hingegen ist alles andere als bunt: Rund 60 Prozent der einst so farbenprächtigen Kreaturen, die weltweit schätzungsweise bis zu 600.000 Quadratkilometer des Meeresbodens bedecken, sind von Korallenbleiche befallen. Stressfaktoren wie steigende Meerestemperaturen – bedingt durch die globale Erwärmung – sowie Umweltverschmutzung bedrohen die wertvollen Riffe.
Hinzu kommen die Schäden durch nicht nachhaltige Fischerei, die mit ihren Boden-Schleppnetzen innerhalb weniger Minuten zerstört, was über Jahrhunderte gewachsen ist. Dabei gehören Korallengärten zu den ältesten Ökosystemen der Welt und bilden die größten von Lebewesen geschaffenen Strukturen der Erde. In ihnen wimmelt es nur so von Leben, ein Viertel aller Meerestiere und -pflanzen leben hier. So tragen Korallen auch zur Ernährung von vielen Millionen Menschen bei. Die Korallenpolypen, winzige wirbellose Tierchen, leben in Symbiose mit einzelligen Algen, die ihnen ihre prächtigen Farben verleihen.
„Bei der Korallenbleiche funktioniert der Nährstoffaustausch zwischen den beiden Lebewesen nicht mehr."
Dies hat der Biologe Dr. Christian Voolstra, Professor für Genetik der Adaptation in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz, erforscht. Er erklärt weiter: „Beide benötigen bei erhöhten Wassertemperaturen mehr Nährstoffe für sich selbst und hören auf, diese mit ihrem Symbiose-Partner zu teilen.“ Das gestörte Miteinander führt zur Korallenbleiche. Die Erholung geschädigter Riffe dauert Jahrzehnte. Angesichts des Klimawandels scheint es eher unwahrscheinlich, dass den kostbaren Ökosystemen diese Zeit gewährt wird.
Bunt und prächtig: Das Baden-Baden Satellite Reef
Zusammen mit dem Baden-Baden Satellite Reef zeigt das Museum Frieder Burda erstmals in Deutschland auch das Gesamtwerk der Geschwister Wertheim, die bereits in New York mit dem Crochet Reef auf die dramatische Situation in den Weltmeeren aufmerksam gemacht haben. Künstlerischer Leiter und Kurator der Ausstellung ist Udo Kittelmann.
Jede gehäkelte Koralle trägt zudem zum Schutz der maritimen Welten bei, denn sie wird mit einer Spende durch die EnBW Energie Baden-Württemberg AG bedacht.
Der Gesamterlös wird der Umweltorganisation Sea Shepherd Deutschland e.V. zugutekommen.
Mitmachen:
„Wert und Wandel der Korallen“ im Museum Frieder Burda,
Baden-Baden, 29. Januar bis 26. Juni 2022 www.museum-frieder-burda.de Mehr zum Thema zeigt die faszinierende Doku „Chasing Corals“ (offizieller Trailer siehe unten)
Headerbild: © Margret und Christine Wertheim bestaunen die Pracht der Werke des Baden Baden Satellite Reef