Einmal über den Atlantik, mit der Energy Observer, einem umgebauten Groß-Katamaran, von Europa bis in die Karibik, ganz ohne Benzinmotor. Nur angetrieben durch den Wind, die Sonne und den Ozean. Jérôme Delafosse glaubte nicht, dass bei dieser Überfahrt irgendetwas schiefgehen könnte, schließlich war alles ausführlich im Mittelmeer getestet und bei einem Trip nach Spitzbergen überprüft worden.

Dann aber, als es im März 2020 losgehen sollte, hatte sich mit Corona die Welt verändert. Würde die Crew die Fahrt auch hinbekommen, ohne selbst von Bord gehen zu können, etwa, um Proviant einzukaufen? Ein paar Kisten, die bei zwei Zwischenstopps vorsichtig an die Kaimauer geschoben wurden – mehr Kontakt war plötzlich nicht mehr erlaubt.

Kapitän Erussard (li.) und Expeditionsleiter Delafosse an Bord der Energy Observer @Energy Observer

Mit so viel erzwungener Autarkie hatte Delafosse, der Expeditionsleiter, dann doch nicht geplant. Energieversorgung, Trinkwassergewinnung, Kommunikation mit der Außenwelt – nichts davon durfte jetzt ausfallen. 9.000 Kilometer und mehr als 60 Tage später, beim Einlaufen in den Hafen von Fort-de-France auf Martinique, wusste er: Es geht.

„Man kann mit dem auskommen, was die Natur zur Verfügung stellt. Auch bei einer längeren Reise fällt man nicht in die Steinzeit zurück.“

Die Idee eines emissionsfreien Schiffes

Begonnen hat das Abenteuer für ihn 2013 mit einem Anruf von Victorien Erussard, einem Ex-Offizier der Handelsmarine, der sich immer gefragt hatte, ob man die Energie des Meeres nicht bereits an Bord und während der Fahrt nutzbar machen könne. Er lud den Taucher und Filmemacher Delafosse ein, gemeinsam die Idee eines emissionsfreien Boots voranzutreiben und die Geschichte der Expedition zu erzählen.

Aus dem Projekt ist heute eine Großunternehmung geworden, mit einem Budget von 30 Millionen Euro und bis zu 60 Mitarbeitenden, die permanent entwickeln, schrauben, planen. Ein „floating lab“ sei die Energy Observer, sagt Delafosse, ein schwimmendes Labor von mehr als 30 Metern Länge und fast 13 Metern Breite, das erkundet, welche Technologien zukunftsfähig sind.

An Bord: Wind, Sonne und Wasser liefern die Energie; hier vor Spitzbergen ©Energy Observer

Energie aus Wind, Sonne und Wasserstoff

Der Mix, mit dem der Katamaran angetrieben wird, sieht so aus: Mehr als 200 Quadratmeter Solarzellen auf der Oberfläche des Boots fangen die Sonnenstrahlen ein, auch die vom Wasser reflektierten. Zwei Hightech-Segel richten sich selbstständig aus, um die maximale Menge Wind aufzunehmen – und dabei sogar noch Strom zu erzeugen. Auch die Schiffsschraube läuft – während der Katamaran segelt – passiv weiter und erzeugt so Strom.

Und wenn die in den Batterien gespeicherte überschüssige Energie aufgebraucht ist, die Sonne sich versteckt und die Luft steht, dann greift die Crew auf ihre Reserve zurück: drei Tanks gefüllt mit Wasserstoff.

Mithilfe der Elektrolyse und durch Brennstoffzellen wird Meerwasser an Bord erst in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten und dann in elektrischen Strom umgewandelt. Sechs Tage lang halten diese Vorräte bei Flaute und verhangenem Himmel.

Wasserstoff  –  es braucht mehr Forschung

Dass die Energy Observer auch mit Wasserstoff fährt, einer vergleichsweise wenig erforschten Technik, war dem Team wichtig. Delafosse: „Wasserstoff ist die meistverbreitete Ressource der Welt und sie ist erneuerbar. Die Entwicklung steht erst am Anfang – aber durch die Erprobung auf unserem Boot konnte ein Logistikpartner seinen ersten Wasserstoff-Truck bauen“. Die beteiligten Partnerunternehmen dürfen auf die während der Weltreise gesammelten Daten zugreifen.

Ähnlich wie in ihrer Heimat Frankreich hatte die Wasserstofftechnologie in Deutschland bislang keine Priorität; in der Regel werden Elektromotoren als goldener Weg für die dekarbonisierte Mobilität gepriesen. Ob die Verkehrswende allein damit gelingt, ist aber fraglich. Und so hat die Bundesregierung im Frühjahr eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ beschlossen, um der Branche auf die Füße zu helfen.

2019 lag die Energy Observer mit ihrer Ausstellung mehrere Tage im Hafen von Hamburg © Energy Observer

Energie, das war für Jérôme Delafosse lange Zeit bloß „eine Rechnung am Ende des Monats“. Er, der Umweltschützer, wusste wenig über Energie und welche Probleme die Produktion verursacht, gibt er zu. Durch die Beschäftigung mit dem Thema und seine Reisen hat er heute einen differenzierten Blick gewonnen. Und eine neue, positive Geschichte, die er weitertragen möchte: „Wir wollen nicht davon berichten, dass der Klimawandel uns in eine Katastrophe führt, sondern die Menschen von einer anderen Welt träumen lassen.“

Begegnungen mit Pionieren der Nachhaltigkeit

Auf ihrer Internetseite und ihrem Facebook-Kanal berichten sie ausführlich von ihren Erfahrungen und Begegnungen, erzählen von Pionieren, die unter Wasser Korallen züchten, die Arbeitslose zum Thema Biodiversität fortbilden oder einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr einführen.

Sein Kompagnon, Kapitän Victorien Erussard, wurde von der französischen Ministerin für ökologischen Wandel bereits zum Botschafter der 17 Nachhaltigkeitsziele ernannt.

Lässt die Pandemie es zu, fährt die Energy Observer im kommenden Jahr nach Kalifornien und überquert mit dem Pazifik einen weiteren Ozean, bis nach Tokio, zu den Olympischen Spielen. Klappt’s nicht, planen sie um. Auch das, so der Franzose, habe er inzwischen gelernt: sich der Realität anzupassen und im Zweifel etwas langsamer unterwegs zu sein. Aber solange sie ihr Ziel erreichen, und das aus eigener Kraft, ist ihre Mission erfüllt. Bislang hat das noch jedes Mal geklappt.

Mehr erfahren:

Wasserstoff als Zukunftsressource www.energy-observer.org

Mehr Informationen zur Nationalen Wasserstoffstrategie auf der Webseite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gibt Ministerin Anja Karliczeck

Headerbild: @Energy Observer