Länderübergreifend grüne Energie austauschen

Im Mai 2021 ist nach über fünf Jahren Bauzeit das NordLink-Kabel zwischen Norwegen und Deutschland feierlich eröffnet worden. NordLink verbindet erstmals den deutschen und den norwegischen Energiemarkt direkt miteinander. Ausgetauscht wird Elektrizität aus Windkraft und Wasserkraft, um Versorgungssicherheit, stabile Preise und einen höheren Anteil erneuerbarer Energien im Strommix zu gewährleisten.

Auf gut 900 Metern im südnorwegischen Granitmassiv hält der Svartevatn-Staudamm gewaltige Wassermassen. Auf den ersten Blick liegen die 1,4 Milliarden Kubikmeter ruhig und glatt hinter dem spektakulären Bauwerk, das, wie man hier erzählt, aus mehr Steinen errichtet worden sein soll als die ägyptische Cheopspyramide.

Beim näheren Hinsehen jedoch ist an einer Stelle in der Nähe des Ufers ein Sog zu erkennen, unter dem das Wasser in die Tiefe rauscht. Es ist der Beginn einer über 75 Kilometer und 850 Höhenmeter reichenden Kaskadenreihe aus mit unterirdischen Pipelines verbundenen Reservoirs.

Gewaltige 1.400 Megawatt – damit können mehr als 3,6 Millionen Haushalte versorgt werden – müssen durchs Meer bis in die norddeutsche Wilstermarsch transport werden.

Um dies zu gewährleisten, wurde wenige Hundert Meter oberhalb des Wasserkraftwerks von Tonstad auf einer Gebirgsebene ein neues Umspannwerk errichtet. Es ist Teil eines der wichtigsten Stromdrehkreuze Europas.

Von dort wird aus Wasserkraft gewonnene Energie seit Jahren nach Dänemark oder in die Niederlande geschickt, aber auch über das Wechselstromnetz zwischen Norwegen und Schweden sowie über weitere Verbindungen in die gesamten nordeuropäischen Länder. Im Frühjahr 2021 wurde das bisher längste 1.400-Megawatt-Stromkabel fertiggestellt: NordLink.

Ab diesem Zeitpunkt wird Wasserkraft aus Tonstad und anderen norwegischen Wasserkraftwerken für deutsche Verbraucher als flexible Reserveleistung zur Verfügung stehen, wenn hierzulande wenig Windkraft vorhanden ist.

Lesen Sie hier, wie die deutsche Windkraft ins Spiel kommt, wie beide Strommärkte nachhaltiger werden und wie dieses Herkulesprojekt finanziell möglich gemacht wird.

Abwärme aus der Industrie sinnvoll nutzen

Von den grünen Weiten der Marsch geht es direkt hinein in das größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt Europas: die HafenCity in Hamburg. Das Metallunternehmen Aurubis und der Energieversorger Enercity schreiben Industriegeschichte: Mit der HafenCity Ost wird in Hamburg zum ersten Mal ein Stadtteil fast komplett mit nahezu CO₂-freier Abwärme versorgt.

Wo einst Hafengelände war, entsteht gerade Schritt für Schritt ein völlig neuer Stadtteil. Eines Tages – etwa 2030 – sollen dort 15.000 Menschen wohnen, mehr als 40.000 arbeiten und sich 80.000 Tagestouristen vergnügen.

Auch die KfW und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beteiligen sich an dem Vorhaben der Superlative – mit einem spektakulären Energieprojekt, das die HafenCity mit dem Metallunternehmen Aurubis verbindet.

Dort, auf dem Werksgelände auf der anderen Elbseite, lassen Hitze, Dämpfe und Gerüche erahnen, dass hier unter gigantischem Energieaufwand jährlich eine Million Tonnen Kupfer hergestellt werden. Inmitten dieses Komplexes aus grauen Hallen, Kesseln, Rohren und Förderbändern steht seit Frühjahr 2018 ein orangefarbener Koloss von 250 Tonnen, 18 Metern Höhe und sechs Metern Durchmesser – der Zwischenabsorber. Er ist das Herzstück der Fernwärmegewinnung für die östliche Hamburger HafenCity

In seinem von innen mit 50.000 säure- und hitzebeständigen Keramiksteinen gemauerten Kessel wird Schwefeldioxid – ein Nebenprodukt der Kupferreinigung – zu Schwefelsäure umgewandelt, wobei nahezu CO₂-freie Wärme freigesetzt wird.

Diesen chemischen Prozess kennen die Leute von Aurubis seit Werksgründung. Das Innovative: Mithilfe der nagelneuen Technik des Zwischenabsorbers kann die heiße Luft – bislang mit viel Elbwasser heruntergekühlt – in Form von Heißwasser über eine Fernwärmeleitung abgegeben werden.

Wie die Menschen der Hafencity  vom Projekt profitieren, warum die Technologie enorme Emissionen einspart und wie die Metallbranche zum Vorreiter werden kann, erfahren Sie hier.

Im Eiltempo zu mehr Energiesicherheit durch Flüssiggas

Wir bleiben im Norden, genauer: in Brunsbüttel, wo in einem für Deutschland nahezu atemberaubendem Tempo der Bau eines Flüssiggas-Terminals erfolgt. Seit dem Ukrainekrieg spielt das Flüssigerdgas LNG eine Schlüsselrolle für Deutschlands Energiesicherheit. Mittelfristig könnte es den Import russisches Pipelinegas ersetzen. Nun beteiligt sich die KfW im Auftrag des Bundes am Bau des ersten deutschen LNG-Terminals in Brunsbüttel.

Was passiert in Brunsbüttel? Das Flüssigerdgas wird in Tankern geliefert und am Terminal gespeichert. Es kann flüssig weitertransportiert werden oder mittels Abwärme aus der benachbarten Industrie gasförmig ins Gasfernnetz eingespeist werden. ©KfW

Pipeline oder Schiff? Das war bis vor Kurzem keine Frage. Ein Wechsel von Pipelinegas zu Flüssigerdgas, das mit riesigen Tankschiffen importiert werden muss, kam für die Bundesregierung nicht in Betracht. In einer Kurzstudie zog das Umweltbundesamt 2019 das Fazit: „Aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten ist ein verstärkter Einsatz von LNG insbesondere im Vergleich zu per Pipeline transportiertem Gas nicht begründbar.“ So ist es nur logisch, dass Deutschland bislang keine Importterminals für Flüssigerdgas besitzt – anders als die meisten EU-Küstenstaaten.

Die Übergangslösung: FSRUs (Floating Storage and Regasification Units) sind schwimmende LNG-Terminals, die Flüssiggas von Tankern entgegennehmen, speichern und regasifizieren. Dann wird es ins Gasnetz eingespeist. ©KfW

Doch durch Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Sachlage schlagartig geändert. Zu diesem Zeitpunkt hat Deutschland 55 Prozent seines Bedarfs mit russischem Pipelinegas gedeckt – eine Abhängigkeit, die erpressbar macht und Berlin zum Handeln zwingt.

Gut zwei Monate nach Kriegsbeginn verkündet Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass der Anteil auf 35 Prozent gesenkt werden konnte. So schnell wie möglich will man sich ganz vom russischen Gastropf befreien. Weil die Regierung am Kohle- und Atomausstieg festhält und selbst eine beschleunigte Energiewende die Abhängigkeit von Russland kurzfristig nicht beenden kann, setzt Berlin auf den Aufbau einer Infrastruktur für LNG.

Warum LNG gerade ein hochaktuelles Thema ist, welches Für und Wider die Technologie hat und warum jetzt alles ganz schnell geht, erfahren Sie hier.  


ÜBERBLICK: Drei Lösungswege und ihre Wirkung  auf Energiesicherheit und Klimaschutz


Headerbild: Das Verlegen des NordLink-Kabels durchs nordfriesische Wattenmeer übernimmt ein Schiff, das auf die flachen Gewässer ausgerichtet ist. ©KfW-Bildarchiv / Benne Ochs