Frau Schöndienst, die Grünen wollten 2013 einen Veggie-Day in Kantinen einführen und ernteten dafür viel Spott. Gerhard Schröder forderte hingegen jüngst, für die Currywurst in der VW-Kantine zu kämpfen. Woher nehmen Sie den Mut, mit Ihrer Initiative nun wieder auf Großküchen zuzugehen?

Wenn Mitarbeiter*Innen, Schüler*Innen und Studierende leckere, fleischlose Gerichte ohne Zwang einfach mal probieren und neue Geschmäcker entdecken und sich mit neuen Gerichten anfreunden, dann tragen sie das auch in ihr Privatleben, stecken Familienmitglieder und Freunde mit ihrer Begeisterung an und werden so zu Multiplikatoren.

Ich möchte mit einem unkomplizierten Handlungskonzept etwas anbieten, das nicht auf totalen Verzicht und einem schlechtem Gewissen aufbaut, sondern positiv ausgerichtet ist und leicht umzusetzen ist. Mir ist wichtig, dass es allen Spaß macht. Darum ist Meat Once A Week weder Bevormundung noch Zwang, sondern ein Vorschlag zum gemeinsamen Gestalten, Verändern und Entdecken.

Wir vermuten mal, Sie ernähren sich vegetarisch oder vegan, richtig?

Sie werden staunen: Nein, das tue ich nicht. Als gelernte Köchin in einem 2 Sterne Michelin Restaurant habe ich immer gerne mit Fleisch gearbeitet und es mit Freude zubereitet. Ich bin also nicht zur Vegetarierin geworden, auch nicht, nachdem ich mehr über die Auswirkungen unseres aus dem Ruder gelaufenen Fleischkonsums gelernt hatte. Aber – und das ist das Entscheidende – ich esse sehr wenig Fleisch.

Dann verstehen Sie ja gut, dass so viele Menschen Fleisch lieben. Warum ist es trotzdem wichtig, den Konsum zu reduzieren?

Die Hälfte aller nutzbaren Fläche unseres Planeten wird mittlerweile landwirtschaftlich genutzt. Davon sind sage und schreibe 77 Prozent ausschließlich Viehweiden. Wo einst Urwälder standen, wächst jetzt Soja für unsere billige Schweinemast in Deutschland und Europa. Auf nur 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden Gemüse und Obst angebaut.

Hinzu kommt ein gigantischer Wasserverbrauch. Für die Erzeugung von einem Kilo Schweinefleisch werden 5.000 Liter Wasser benötigt, für ein Kilo Rindfleisch sogar mehr als 15.000 Liter.

Lautet Ihre Devise also: Ja zu Fleisch, aber anders?

Ich bin der Überzeugung, dass Fleisch seinen besonderen Status in unser Küche haben sollte. Eine Rückkehr zum Sonntagsbraten würde mir gefallen. Alltäglicher Fleischkonsum hingegen ist heute nicht mehr zu rechtfertigen. Die 1,59 Euro auf dem Preisschild vom Nackensteak trügen– der eigentliche Preis, den wir für ständige Verfügbarkeit, Überfluss und niedrige Kosten tragen, ist darin nicht enthalten.

Unsere Lebensmittel sind etwas Kostbares. Darauf sollten wir uns besinnen. Einmal in der Woche gutes Fleisch zu essen macht Freude und Sinn und unterstützt zudem unsere nachhaltige Landwirtschaft.

Wichtige Säule sind an dieser Stelle Aufklärung und Information, damit auch das Einkaufsverhalten in Richtung regional und saisonal verschoben werden kann.

Grafik Tortendiagramm zeigt, welches Unternehmen 2019 wieviele Schweinen schlachtete
Der Fleischatlas 2021 der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt in Zahlen und Fakten die Schattenseiten des globalen Fleischkonsums auf (

Oft sind es sehr persönliche Erfahrungen, die zu solchen wichtigen und nachhaltigen Geschäftsideen führen. Was haben Sie erfahren?

Ich bin mittlerweile 58 Jahre und wenn ich so zurückblicke, sind es häufig die großen Umweltkatastrophen, die ich als Eckdaten in meinem Leben verstehe. Aralsee, Exxon Valdez, Tschernobyl, Deepwater Horizon. Erst später ist mir klar geworden, dass diese Katastrophen –  so schlimm sie auch waren – absolut unbedeutend waren im Vergleich zu den Konsequenzen, die sich aus unserem Konsum ergeben und noch ergeben werden.

Es ist eine seit Jahrzehnten schmerzhaft bekannte Tatsache, dass wir damit nachhaltig unsere Natur und Umwelt ruinieren, und doch passiert zu wenig. 2018 besuchte ich eine Food- Messe und verließ sie mit der Erkenntnis, dass dort keine konkreten Handlungsaufforderungen zu sehen waren.

War das der Startschuss für MeatOnce a Week?

Genau, das war auch 2018 und ich dachte, dass die Menschen, die jeden Tag Fleisch essen, sich etwas im Essverhalten reduzieren könnten um mit den Anderen teilen könnten. Dabei war mir wichtig, dass Meat Once A Week ganz unkompliziert ist. Jede und jeder kann sofort mitmachen und weiß: Mit diesem einfachen Prinzip macht man alles richtig. Denn weniger Fleischkonsum wirkt sich nicht nur positiv auf die Umwelt aus, sondern auch auf unsere Gesundheit, unser Gewissen und unser Portemonnaie.

Hier geht es zur Webseite von Meat Once a Week.

Eine ganz andere Sicthweise auf Fleischkonsum hat der Künstler Hartmut Kiewert, den wir im Beitrag "Utopien in Öl" vorgestellt haben.

Mehr Informationen zum Fleischkonsum und Massentierhaltung gibt es im Fleischatlas 2021 der Heinrich-Böll-Stiftung