Wie kommt unser Unternehmen am besten durch die Krise? Das war die große Herausforderung, die Business Coach Vanessa Cox – in der Pandemie eine gefragte Expertin – mit Managern und Leadern in den letzten Monaten gemeinsam erarbeitet und gelöst hat. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stand der "Purpose", zu deutsch Unternehmenszweck oder Unternehmenssin. Und es hat sich gezeigt: Unternehmen mit einem Unternehmenssinn haben besser in der Krise agiert als jene, die diesen Weg nicht gegangen sind.
Frau Cox, warum benötigen Unternehmen einen Purpose?
Die meisten Organisationen behaupten von sich, sie hätten einen Unternehmens-Sinn. Die Frage besteht jedoch darin, wie viele von ihnen diesen tatsächlich in Gänze als Sinnhaftigkeit leben.
Unternehmens-Purpose bedeutet, den Stellenwert in der Gesellschaft und den Beitrag zur Gesellschaft für sich zu definieren, zu verstehen und zu leben. Das gilt für die Organisation beziehungsweise das Unternehmen selbst, aber auch für die dort tätigen und agierenden Menschen.
Dabei kommt der Interaktion mit der Gesellschaft eine wichtige Rolle zu. Größer noch als eine Betrachtung von Stakeholdern, also den Anteilseignern, Kunden, Zulieferern und Mitarbeitern, zielt der Unternehmenssinn auf den Einfluss, den das Unternehmen auf Langfristigkeit und Zukunftsorientierung hat. Einfach gesagt: Der Purpose gibt eine Richtung an.
Und um die Richtung zu halten, braucht man einen Kompass.
Ganz genau. Purpose ist gleichsam ein Kompass für Unternehmen, ihren Weg in einer rasant sich verändernden Umwelt zu finden. Die Herausforderung ist es, diese Richtung authentisch, nachhaltig und erfolgreich zu verfolgen – trotz Unsicherheiten oder Unvorhergesehenem, wie zum Beispiel der jetzigen COVID-19 Pandemie. Unternehmen, die diesen Sinn für sich verstanden haben und ihn leben, navigieren – nach unseren Erfahrungen mit ihnen – erheblich erfolgreicher durch die derzeitige extreme makroökonomische Krise.
Heißt das, dass sich Führung in Krisenzeiten verändern muss?
Für eine Führungskraft einer Organisation bedeutet der Purpose, viele Elemente gleichzeitig zu beachten und vor allem: sie als Mensch zu leben. Dazu gehört die Identifikation: als Vorbild in der Organisation, aber auch in der Gesellschaft verkörpert eine einzelne Person gleichwohl das Gelebte und Gefühlte des Purposes.
Was sind dann die wichtigsten Werte bei der Umsetzung des Purpose?
Glaubwürdigkeit & Authentizität: Den Strategieprozess so auszurichten und Entscheidungen derart zu treffen, dass das Unternehmen weiterhin auf Richtungskurs bleibt trotz kurzfristiger, nicht vorhersehbarer Einflüsse. Das ist schwer. Unternehmenslenker können jedoch schneller und mit größerer Sicherheit navigieren, wenn sie die Richtung verinnerlicht haben.
Aber auch Inspiration und Engagement: eine klare Richtung inspiriert, motiviert, erklärt und nimmt andere mit - ob Mitarbeiter, Investoren oder Kunden.
Gibt man diese Richtung einmal vor und dann funktioniert alles besser?
Nein, Sinnhaftigkeit zu entwickeln ist nichts Einmaliges, so wie auch die Arbeit am Purpose nicht statisch ist. Es genügt nicht, die Richtung lediglich einmal zu definieren und dann die Hände in den Schoß zu legen. Führungskräfte – ganz besonders an der Spitze der Organisation – dürfen und müssen den Purpose an das Weltgeschehen, an neue, gesellschaftliche Entwicklungen und die Zukunftsaussichten anpassen. Darum sprechen wir immer von Richtung anstatt von Ziel.
Also eine unendliche Reise? Wie fühlen sich Menschen wenn sie sich dessen bewusst werden – so ganz ohne Endziel ?
Die Reise als solche wird unendlich sein, aber die Menschen begleiten und gestalten die Reise in Etappen. Das Gefühl, etwas erreicht zu haben, etwas geprägt zu haben - wir reden von "Legacy" – also dem Erbe – einer Führungskraft, sind die Erfolge und Beiträge einzelner Personen. Jedes bisschen hilft. Jeder Beitrag im Sinne des Purpose ist wertvoll.
So motivieren sich Menschen, so fühlen sie sich als Person wertvoll und sinnvoll. Kursabweichungen und Fehlentscheidungen können vergeben und gegebenenfalls sogar korrigiert werden, wenn sie mit positiver Intention, mit Wahrhaftigkeit und bestem Gewissen getroffen worden sind.
Dabei darf man nicht vergessen: Unsere Welt ist gläsern und transparenter geworden, durch Social Media verbreitet sich Wahrheit schnell. Leider auch Unwahrheit.
Welche Rolle spielen die Nachhaltigkeitsziele in der Gestaltung von Unternehmensreisen?
Ähnlich wie der Unternehmenspurpose eine Reise ist, ist die Entwicklung der Nachhaltigkeitsziele eine Reise. Wir befinden uns derzeit auf dem Weg. Für Unternehmen sind diese international Sustainable Development Goals (SDGs) bezeichneten Ziele deshalb sehr wichtig, denn sie können in gescheiterten Gesellschaften weder wachsen noch langfristigen Erfolg haben.
Der Privatsektor hat ein klares und begründetes Interesse daran, an der Entwicklung und Verbreitung nachhaltiger Geschäftslösungen zu arbeiten.
Auf diese Weise kann man Herausforderungen angehen, eine starke Wachstumsstrategie aufbauen und neue Märkte erschließen.
Und welche Rolle spielen die Nachhaltigkeitsziele für den künftigen Unternehmenserfolg?
Purpose und die Nachhaltigkeitsziele bzw. SDGs bilden eine Einheit. Sie stellen eine ehrgeizige und transformative Agenda dar. Unternehmen, die eine aktive Rolle bei der Führung dieses Wandels übernehmen und die SDGs in den Mittelpunkt operativer Entscheidungen stellen, werden letztlich besser in der Lage sein, neue Marktchancen zu nutzen und Risiken zu managen.
Auch wenn die Ziele für nachhaltige Entwicklung für Regierungen entworfen und von diesen im Rahmen der Vereinten Nationen verabschiedet wurden, bilden sie einen Rahmen für die Messung des Beitrags der Wirtschaft zur Gesellschaft.
Was raten Sie den heutigen Unternehmenslenkern?
Beschäftigen Sie sich ganzheitlich und gänzlich mit Purpose – für Sie als Einzelperson. Definieren Sie Ihren Etappensieg, ihren Beitrag für das Unternehmen – setzen Sie die Richtung und dann: "Anker hoch und Leinen los"!
Vielen Dank, Frau Cox, wir sind gespannt, wie sich Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren entwickeln werden.
Über Vanessa Cox
Vanessa Cox ist Partnerin bei The Preston Associates (TPA), einem weltweit agierenden Business Coaching Unternehmen. Sie leitet die D-A-CH Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) und berät Vorstände und Führungskräfte in Konzernen, aber auch in Portfoliounternehmen oder Gründer von StartUps. Ihre Erfahrungen liegen unter anderem in der Organisationsentwicklung, im 1:1-und im Team-Coaching. Sie hat in Indien, Frankreich und Großbritannien gelebt und ist seit 2002 in Deutschland tätig.