Der technologische Fortschritt ist rasant, laut EU-Kommissarin Mariya Gabriel werden 90 % der zukünftigen Arbeitsplätze digitale Kompetenzen erfordern. Doch wie kann künftig die Digitalisierung geschlechtergerecht gestaltet werden? Wie kann verhindert werden, dass der Gender Gap, der in Bereichen wie Bildung, Politik und Einkommen zwischen Männern und Frauen ohnehin besteht, durch die Ditigalisierung nicht noch vergrößert wird?

Mit seinem Bericht über Gleichstellung und Digitalisierung hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Juni tiefe Einblicke in die Entwicklungen der Gleichstellung gegeben und gibt Impulse für die weitere Politikgestaltung. Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht äußerte sich wie folgt:

"Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern mit der Digitalisierung weiter voranbringen. Dies betrifft viele Lebensbereiche, zum Beispiel die Erhöhung des Frauenanteils in Digitalberufen, das mobile Arbeiten als Chance für die Gleichstellung oder die Bekämpfung von Diskriminierung und Hasskriminalität im Netz. Wir begreifen die Digitalisierung als Chance, um unsere Gesellschaft gerechter und moderner zu gestalten."

Bisher sind Frauen in der Digtalbranche mit 16 Prozent deutlich unterrepräsentiert, ihre Erfahrungswelten fließen  nicht in die digitalen Innovationen der Zukunft ein.

Warum gibt es den Gender Gap?

Die Ungleichheit der Geschlechter im Bereich der Digitalisierung ist auf drei Hauptgründe zurückzuführen:

  • ungleicher Zugang zu einer digitalen Ausbildung
  • unterschiedliche Technologienutzung
  • Fehlen entsprechender Arbeitsplatzangebote für Frauen

Gleiche Chancen und gleiche Rechte für Frauen und Männer sind heute leider immer noch nicht selbstverständlich: bekommen ein geringere Gehälter als Männer, sie gründen deutlich seltener ein Unternehmen und in den Führungsetagen sind sie trotz Quote weiterhin unterrepräsentiert. Um für die Zukunft aufgestellt zu sein und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen  in der Wirtschaft selbstverständlich zu machen, muss noch viel getan werden.

Digitale Bildung ist der Schlüssel zu mehr Gerechtigkeit

Dies gilt vor allem auch für Mädchen. Laut dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) liegt der Anteil der Frauen unter den Absolventen von Informatik- und Ingenieursstudiengängen in der EU nur bei 17 %. Im Zeitraum 2004 bis 2015 war diese Zahl in vielen Ländern sogar rückläufig.

Für Schulen ist es wichtig, in digitale Geräte und Schulungen für Schüler*innen und Lehrer*innen zu investieren, um so eine Grundlage für Wissen zu schaffen. Nur so kann es gelingen, dass Mädchen und Frauen bei der Wahl ihrer Weiterbildungsmöglichkeiten in Zukunft vermehrt IT-Berufe anstreben.

Glücklicherweise bemühen sich viele Organisationen, den Gender Gap zu überbrücken und mehr Wissen und Ressourcen bereitzustellen, um gleichwertige Arbeitsplätze zu schaffen und darüber hinaus das UN-Nachhaltigkeitsziel 5 zur Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen.

MINT-Programme fördern Frauen

Damit mehr Frauen mathematisch-naturwissenschaftliche- oder IT-Berufe ergreifen, sollten MINT- Förderprogramme bereits in der frühkindlichen Bildung ansetzen. Auch das männlich geprägte Arbeitsumfeld in der Digitalbranche muss sich verändern, damit mehr Frauen in diesen Bereich hineinkommen, dort dauerhaft bleiben und es in Top-Positionen schaffen.Eine der effizientesten Möglichkeiten, diese Lücke zu schließen, ist Investition in  Bildung.

Auch Algorithmen können diskriminieren

Hinter 70 Prozent aller Gründungen in der Digitalbranche stehen reine Männerteams. Die Unterrepräsentation von Frauen hängt mit strukturellen Barrieren wie mangelnder Vereinbarkeit und fehlender sozialer Sicherung zusammen, aber auch mit Geschlechterstereotypen. Aber es sind auch die Algorithmen, die zur Diskriminierung beitragen können. Lernende KI-Systeme werden beispielsweise bei der Personalauswahl genutzt, so dass es entscheidend ist, dass die sogenannten Trainingsdaten frei sind von Stereotypen und keine diskriminierenden Strukturen abbilden.

Zahlreiche Initiativen in Deutschland setzen sich dafür ein, den Gender Gap in der Digitalisierung zu verringern.

1. Go MINT –  Das Akronym MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 2008 mit "Go MINT" - Nationaler Pakt für Frauen in MINT-Berufen die einzige bundesweite Netzwerkinitiative für Frauen und MINT ins Leben gerufen, um das Innovationspotenzial von Frauen nachhaltig zu erschließen, mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen und ein modernes Bild der MINT-Berufe zu vermitteln. Unter dem Motto Komm, mach MINT werden Mädchen und Frauen für MINT-Studiengänge und -Berufe begeistert.

2.  SheTransformsIT – Die Initiative deckt ein breites Spektrum an Themen aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bildung und Wissenschaft ab und hilft dabei, mehr Mädchen und Frauen für die Digitalisierung zu gewinnen. Die Mission: Frauen müssen bei der Entwicklung und Umsetzung der Digitalisierung mit am Tisch sitzen, gestalterisch tätig sein und mit ihrer Perspektive neue Techniken für eine vielfältige Gesellschaft entwickeln.

3. Global Digital Woman – Was als kleines Netzwerktreffen in Berlin begann, ist zu einem wachsenden Unternehmen avanciert, das Trainings, Events und Workshops organisiert, um die digitalen Innovationsführerinnen unserer Zeit sichtbar zu machen und den Fokus auf Female Empowerment neu auszurichten.

Verringerung des digitalen Gender Gap weltweit

Auch auf internationalem Parkett nimmt das Thema an Fahrt auf. Denn laut dem Bericht Bridging the Gender Digital Gap führen die bestehenden geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der digitalen Inklusion "wahrscheinlich zu geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in vielen anderen Bereichen, einschließlich Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und einer geringeren finanziellen Inklusion von Frauen." Schon eine einzige Zahl verdeutlicht diese These: Rund 200 Millionen weniger Frauen als Männer besitzen ein Mobiltelefon.

Weltweit werden Unternehmen aktiv und nutzen digitale Technologien, um das Wissen von Frauen zu erweitern und so deren Unabhängigkeit und finanziellen Möglichkeiten zu erhöhen.

"Knowledge is Power" – In Ägypten hat die Vodafone Egypt Foundation in Zusammenarbeit mit der Coptic Evangelic Organization for Social Services (CEOSS), dem Rotary Club und der General Authority for Literacy and Adult Education (GALAE) die kostenlose Alphabetisierungs-App "Knowledge is Power"  entwickelt. Mehr als 480 000 erwachsene Analphabeten haben seit dem Start des Programms an den Kursen teilgenommen, etwa 70 % der Absolventen sind Frauen – eine wichtige Entwicklung in einem Land, das eine der niedrigsten Anteile von Frauen am Arbeitsplatz hat.

JazzCash – Ungefähr 93 % der pakistanischen Frauen haben kein Bankkonto, aber viele von ihnen haben einen Online-Zugang. So hat der Mobilfunkbetreiber Jazz die App JazzCash eingeführt, um insbesondere Frauen digitale Inklusion und Zugang zu eigenen finanziellen Mitteln zu ermöglichen.

Athena SWAN –  Die britische Initiative möchte das Engagement zur Förderung der Karrieren von Frauen in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik (MINT) fördern. Athena SWAN arbeiten mit Hochschuleinrichtungen zusammen, um Gleichstellungsziele zu erreichen. Somit sind die Ziele vergleichbar mit denen der deutschen MINT-Initiativen.

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