Frau Dr. Reuter, Sie sind seit 2014 Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) und vertreten über 480 nachhaltige Unternehmen – Tendenz steigend. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

Es geht darum, der Politik zu zeigen, dass die Wirtschaft Klimaschutz will und kann. Dafür höre ich auch Unternehmen zu, bei denen Nachhaltigkeit – anders als bei unseren Mitgliedsunternehmen, die sie zum Kerngeschäft gemacht haben – keine große Rolle spielt. Denn mir ist es wichtig, mit vielen in die Diskussion zu treten, um authentisch politische Forderungen zu stellen und der nachhaltigen Wirtschaft eine Stimme zu geben.

Warum braucht die nachhaltige Wirtschaft diese Stimme?

Weil sie kaum vorkommt, weil sie total untergeht und weil es so ungerecht ist, dass die Vielfalt in der Wirtschaft nicht abgebildet wird. Ich möchte der Politik zeigen, dass Nachhaltigkeit eine Chance für sie ist. Wir brauchen Klimaschutz, weil es knallharte Standortpolitik ist, auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Nicht nur, weil wir sonst den Ast absägen, auf dem unsere Wirtschaft sitzt – Böden, Wälder, Gewässer. Sondern auch, weil große Volkswirtschaften wie China oder die USA den Ausbau von Klimaschutztechnologien längst als wirtschaftliche Chance begriffen haben.

Ich möchte mit Fakten überzeugen: Nachhaltige Wirtschaft steht für immer mehr Arbeitsplätze, vor allem für die mit Zukunft.

Warum wirtschaften dann nicht alle nachhaltig?

Das Problem ist, dass der Markt sich nicht selbst regulieren kann, weil eine falsche Preispolitik herrscht. Klimaschädliches Verhalten wird subventioniert. So gibt es zum Beispiel eine Mineralölsteuer, aber Kerosin oder Plastik aus Erdöl werden gar nicht besteuert. Zudem zahlen wir als Konsumentinnen und Konsumenten bei konventionellen Produkten nicht den wahren Preis.

Beispiel: Fast-Fashion-Shirt. Hier sind die Kosten für die Menschenrechte und Nachhaltigkeit nicht eingerechnet. Unternehmen, die darauf in der Lieferkette achten, müssen ihre Produkte teurer anbieten und haben dadurch einen Nachteil am Markt. Das ist unfair und falsch.

Was müsste sich ändern, damit sich diese Situation verbessert?

Wir müssten es komplett umdrehen. Damit zukünftig alles, was gut fürs Klima ist, auch preiswerter ist. Das gelingt, wenn es höhere Abgaben gibt für alles, was dem Klima schadet, zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer, und im Gegenzug Klimafreundlichkeit gefördert wird.

Ich wünsche mir, dass die Politik dafür sorgt, dass nicht nachhaltiges Handeln künftig unrentabel für Unternehmen ist, und dass sie Rahmenbedingungen schafft, klimafreundlicher zu agieren.

Ist die Politik bereit für so eine Umstellung?

Naja. Immer mehr juristische Entscheidungen, wie zum Beispiel der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz, zwingen die Politik dazu, etwas zu ändern. Aber sie muss auch endlich verstehen, dass Klimaschutz oberste Priorität hat. Die Wirtschaft ist an vielen Stellen schon weiter und hat den Mut zu den Schritten, die auch wehtun werden.

Soziale Härtefälle können abgefedert werden und sollten nicht der Grund sein, tatenlos zu bleiben. Im Gegenteil: Wir können es gemeinsam schaffen und nachhaltiges Wirtschaften rechnet sich, wenn wir wahre Preise einführen!

Mitmachen:

die  Mitglieder des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft praktizieren schon heute Wirtschaft von morgen. Mehr Infos: www.bnw-bundesverband.de

Headerbild: Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin BNW, im Berliner Regierungsviertel © Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft