Staubige Springerstiefel, schwarze Hose und in Sicherheitsweste: Angelina Jolie steigt über Schutthaufen vorbei an Ruinen. Staub und flirrende Hitze. Die apokalyptische Szenerie einer vollkommen zerstörten Stadt ist jedoch kein Hollywood-Set, sondern die bittere Realität Mossuls.

Die einstmals an kulturellem Leben so reiche Stadt im Irak ist auch im Juni 2018, ein Jahr nach der Befreiung, katastrophal zerstört. „Dies ist die schlimmste Verwüstung, die ich in all meinen Jahren beim UNHCR gesehen habe“, erklärt die Sondergesandte bei ihrem bereits fünften Besuch im Irak. „Diese Menschen haben alles verloren und das Trauma und der Verlust, den sie erlitten haben, sind beispiellos.“

Zwanzig Jahre für die Menschenrechte

Seit fast zwei Jahrzehnten widmet sich Angelina Jolie Flüchtlingen und Vertriebenen. 2001 übernahm sie die Aufgabe der Sonderbotschafterin des UNHCR, 2012 wurde sie zur Sondergesandten ernannt. Seitdem hat sie in über 60 Einsätzen Flüchtlingslager und Krisengebiete in aller Welt besucht, um sich immer wieder ein persönliches Bild von der Situation und dem Leben der Menschen zu machen.

Juni 2018, Domiz/Irak, UNHCR Sondergesandte Angelina Jolie dankt den Irakern für ihre Großherzigkeit gegenüber den syrischen Flüchtlingen, © UNHCR/ Ivor Prickett
Juni 2018, Domiz/Irak, UNHCR Sondergesandte Angelina Jolie dankt den Irakern für ihre Großherzigkeit gegenüber den syrischen Flüchtlingen, © UNHCR/ Ivor Prickett

Es waren die Dreharbeiten zum Film Tomb Raider im Jahr 2000 in Kambodscha, die in ihr den Wunsch weckten, sich für humanitäre Zwecke einzusetzen. Die damals 25-Jährige spürte eine große Ehrfurcht vor den Menschen des vom Terrorregime der Roten Khmer traumatisierten Landes und deren Fähigkeit, trotz großer Armut ihre Würde zu behalten. Nachhaltige Eindrücke, die Jolies Leben von da an prägten.

Kurz darauf adoptierte sie ihr erstes Kind: den kambodschanischen Jungen Maddox, später dann Pax aus Vietnam sowie die Äthiopierin Zahara, bevor sie mit Brad Pitt noch drei leibliche Kinder bekam.

Berühmtheit schaffft Aufmerksamkeit

Die globale Bekanntheit der Oscar-Preisträgerin ist ein starker Hebel und sie nutzt ihn. Als Sondergesandte repräsentiert sie die UN-Flüchtlingskommission und den Hohen Kommissar auf diplomatischer Ebene und arbeitet an langfristigen Lösungen für die großen Krisenherde. Sie macht auf die Rechte und die Schicksale von Vertriebenen und Flüchtlingen weltweit aufmerksam.

In ihrer bedeutenden Funktion appelliert sie immer wieder an die Staats- und Regierungschefs und fordert sie zum Handeln auf. Während ihrer Reise nach Kolumbien im Juni 2019, zu den aus Venezuela Geflüchteten, trat sie vor die Pressemikrofone: „Führung bedeutet Verantwortung zu übernehmen, ebenso wie es Generationen vor uns getan haben, um auf die Bedrohung von Frieden und Sicherheit zu reagieren und eine auf Regeln basierende Weltordnung zu schaffen“, mahnte sie – im Hintergrund ein Meer aus Zelten des derzeit größten Flüchtlingslagers der Welt.

„Heute brauchen wir Menschlichkeit mehr denn je“, fuhr sie fort, „und wir brauchen das rationale Denken von Menschen, die keine Angst davor haben, Verantwortung zu übernehmen und Führungsstärke zu zeigen.“

Februar 2019, Bangladesh/Cox’s Bazar:Jolie macht sich ein Bild der humanitären Lage im Rohingya Flüchtlinge, © UNHCR/ Santiago Escobar- Jaramillo
Februar 2019, Bangladesh/Cox’s Bazar:Jolie macht sich ein Bild der humanitären Lage im Rohingya Flüchtlinge, © UNHCR/ Santiago Escobar- Jaramillo

Wenn Angelina Jolie die Flüchtlinge besucht, spricht sie mit vielen Menschen und hört ihre Schicksale. Die 17-jährige blinde Ester, die mit ihrer Familie Venezuela verlassen musste, weil es dort für sie keine medizinische Versorgung gibt. Die 90-jährige Rohinya im Flüchtlingslager in Bangladesch, die in ihrem Leben keinen Frieden erlebt hat und viele Male vertrieben wurde. Die junge Syrerin aus einer Break-Dance-Gruppe im jordanischen Lager Za’atari, die davon träumt, dass Mädchen in Syrien in der Zukunft führende Rollen einnehmen werden. Sie alle wünschen sich nichts sehnlicher, als die Rückkehr in ihre Heimat und ein Leben in Sicherheit.

Jolie's Empathie tut den Menchen gut

Angelina Jolie hört zu, streichelt und umarmt, spendet Trost, lacht mit den Kindern, teilt das Entsetzen und macht immer wieder Mut. Die Menschen spüren, dass sie in ihrem Leid und Schicksal gesehen und ernst genommen werden.

Ruud Lubbers, ehemaliger Hoher Kommissar, hat vier Jahre mit Jolie gearbeitet. Im Vorwort ihres Buches „Notes from my travels“ schreibt er: „Angelina hat meine Erwartungen weit übertroffen. Sie hat dazu beigetragen, die Schicksale der Geflüchteten greifbar zu machen. Ihre Großherzigkeit und mitfühlende Art sind eine Inspiration für uns alle“, so Lubbers.

Januar 2018, Mafrq/Jordanien: Treffen mit jungen Syrerinnen im Za‘atari Camp; rund 5,5 Millionen Syrer flohen in Nachbarstaaten. Bild: © UNHCR/ Andrew McConnell

Sechsfache Mutter, Schauspielerin, Regisseurin, Drehbuchautorin, Produzentin. Sie könnte ihr Leben in Hollywood führen, sich der Familie und dem angenehmen Glamourleben widmen. Aber sie möchte mehr bewirken und macht auf höchster Ebene das, was jeder tut, der sich engagiert: Sie verlässt ihre Komfortzone.

Für andere, für etwas Größeres, für eine bes

sere Welt. So, wie es Millionen Freiwillige tun, die sich täglich einsetzen – sei es für Umwelt, Tiere oder das Klima, Menschenrechte, Geschlechtergleichheit oder den örtlichen Sportverein. Mit hohem persönlichem Einsatz, viel Empathie und Unbeirrbarkeit gehört Angelina Jolie zu den Menschen, die die Welt bewegen.

Mitmachen:

Auf regionaler Ebene helfen:

  • Anlaufstelle für mehr Infos sind die Landesflüchtlingsräte der Bundesländer: www.fluechtlingsrat.de.
  • Auf www.bamf.de unter „Willkommen in Deutschland“ und „Bürgerschaftliches Engagement“ findet man Hunderte Projekte, um sich einzubringen.

International helfen:

Headerbild: ©UNHCR/Andrew Mc Connell