Landwirt*in zu werden ist ein eher ungewöhnlicher Berufswunsch für junge Menschen. Nicht jedoch für Ivo Degn (29): Für ihn ist Landwirtschaft eine der erfüllendsten Tätigkeiten und gleichzeitig der Schlüssel zur Nachhaltigkeit, denn die landwirtschaftlich genutzten Böden haben ein immenses Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel. Mit der von ihm mitgegründeten Initiative Climate Farmers setzt er sich ein für regenerative Landwirtschaft (siehe Artikel über  regenerative Landwirtschaft & Carbon Farming). Dies ist eine effektive Art der regenerativen Landwirtschaft, durch die Kohlenstoff im Boden gebunden und gelagert wird, was wiederum hervorragender Nährboden für schmackhafte Lebensmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse ist. Und somit ein wertvoller Beitrag zu Ziel 13 und zu Ziel 15 ist.

Ivo, wann war für dich klar: Ich möchte in der Landwirtschaft arbeiten?

Ich denke, die Landwirtschaft hat mich gewählt, nicht ich sie. Als jemand, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, habe ich in großen Städten gearbeitet, bin aber – wann immer ich konnte – aufs Land geflüchtet. Irgendwann habe ich erkannt, dass meine Hände im Dreck ein wesentlicher Teil dessen sind, was ich bin. Es gibt ein Sprichwort:

Einmal im Leben brauchst du einen Arzt, einen Anwalt, einen Polizisten und einen Prediger, aber jeden Tag brauchst du gleich drei Mal einen Landwirt.

Wir vergessen leider zu oft, dass alles, unser ganzes Leben, unsere Gesellschaft, auf der Landwirtschaft aufgebaut ist.

Junger Bauer mit blondem Kurzhaar und Vollbart hält eine große Zucchini in der Hand und lacht
Philippe (vorne), Mitbegründer von Climate Farmers, bei einem Besuch bei Bauer Alex (rechts) aus dem Zweimorgenland in Westdeutschland ©Lars Richter

Was war für dich der Auslöser, dich auf regenerative Landwirtschaft und Carbon Farming zu fokussieren?

Ich war frustriert über die Reaktion unserer Gesellschaft auf den Klimawandel. Auf der Suche nach einer Lösung für das Klimadilemma begann ich, die Hebel für eine echte Veränderung in diesem Bereich zu erforschen. Die Landwirtschaft ist derzeit eine der Hauptursachen für den Klimawandel. Dennoch war ich überrascht, wie viele Autor*innen sich einig sind, dass die Landwirtschaft auch die zentrale Lösung ist. Denn sie ist einer der wenigen Sektoren, der effektiv klimapositiv werden kann, das heißt, mehr Kohlenstoff speichert, als er emittiert.

Wie ist Climate Farmers entstanden?

Als Philippe Birker und ich 2018 die Idee zu Climate Farmers hatten und daran zu arbeiten begannen, dachte ich, dass es schwierig sein würde, ein Team zu finden, das bereit ist, an diesem Projekt mitzuarbeiten. In der Anfangsphase eines Start-ups gibt es ja keine Finanzierung und kein klares Konzept. Doch dann kam es anders: Innerhalb weniger Monate hatten wir ein hervorragendes Team von 20 engagierten Leuten aus ganz Europa zusammen. Sie teilten von Anfang an unsere Vision und gemeinsam haben wir das aufgebaut, was Climate Farmers heute ist.

Landwirtschaftlich genutzte Flächen bedecken ein Drittel der globalen Landmasse. Könnte man da nicht regenerative Landwirtschaft im ganz großen Maßstab betreiben?

Natürlich! Wenn wir regenerative landwirtschaftliche Praktiken global skalieren würden, hätten wir das Potenzial, den Klimawandel umzukehren. Climate Farmers haben wir genau deshalb dann 2020 gegründet, um auf diese Notwendigkeit zu antworten und so eine echte Antwort auf den Klimawandel zu entwickeln.

Bei all dem hat uns immens geholfen, dass das Interesse an regenerativer Landwirtschaft in den letzten Jahren stark gewachsen ist und wir die richtige Produktidee zur richtigen Zeit hatten.

Eine Gruppe von 12 freilaufenden Schweinen frißt unter einem großen Baum
Das Montado-System in Portugal ist eines von Europas ältesten Agroforstsystemen, eine spezielle Art der regenerativen Landwirtschaft © Philippe Birker

Euer Ziel ist es, innerhalb der nächsten Jahre 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Europas unter regenerativer Bewirtschaftung zu sehen. Ein sehr ehrgeiziges Ziel – vor welchen Herausforderungen steht ihr?

Zum einen geht es darum, einen Konsens darüber zu schaffen, was regenerative Landwirtschaft ist und wie wir zweifelsfrei beurteilen können, ob eine Regeneration stattfindet oder nicht - im Maßstab und aus der Ferne. Auf diese Weise können wir den großen Konzernen applaudieren, die handeln, während wir gleichzeitig beurteilen können, welche Auswirkungen wirklich stattfinden.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Landwirte zwar bereit sind zu handeln, wir aber immer noch eine angemessene Infrastruktur brauchen, um die regenerative Landwirtschaft zu skalieren.

Was wollt ihr in fünf Jahren erreicht haben?

Wir von Climate Farmers möchten unseren Einfluss vergrößern, nicht unsere Organisation. In fünf Jahren hoffen wir, die regenerative Landwirtschaft im europäischen landwirtschaftlichen Kontext so etabliert zu haben, dass sie zur Norm geworden ist. Am Ende muss das Ziel ein Mentalitätswechsel sein, weg von extraktiven Prozessen der Bodenbewirtschaftung, die zum Klimawandel beitragen, hin zu Systemen, die sowohl für eine erhöhte Widerstandsfähigkeit der natürlichen Ökosysteme als auch für die Produktion von hochwertigen, nährstoffreichen Lebensmitteln optimiert sind.

Wenn regenerative Landwirtschaft nicht mehr regenerative Landwirtschaft heißt, sondern einfach nur Landwirtschaft, haben wir unsere Arbeit gut gemacht.
Junger Mann, blaues Jeanshemd, mit braunen Jahren, Schnäuzer und Kinnbart lacht fröhlich
In Carbon Farming ist sieht Ivo Degn, Mitbegründer von Climate Farmers, die Zukunft der Landwirtschaft

Was kann jeder und jeder Einzelne zu einer positiven Entwicklung regenerativer Landwirtschaft beitragen?

Ich denke, es ist unglaublich wichtig zu erkennen, dass wir als Verbraucher*innen jedes Mal, wenn wir Geld bezahlen, eine Stimme abgeben. Immer mehr Landwirte werden ermutigt, qualitativ hochwertige, regenerative Produkte zu erzeugen, wenn die Nachfrage steigt. Diese können sie dann zu einem höheren Preis direkt an die Verbraucher verkaufen. Das macht einen großen Unterschied für die Landwirte und im Gegenzug für das Ökosystem. Klar, es kostet etwas Mühe zu recherchieren, woher die Lebensmittel auf unserem Teller kommen, um sich dann für lokal angebaute, regenerative Lebensmittel zu entscheiden. Aber es lohnt sich und macht einen großen Unterschied.

Mehr zu Climate Farmers und dem Team

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Headerbild: Giovanna Chavez