Wenn am 26. September gewählt wird, könnte es sein, dass erneut viele junge Menschen keinen Gebrauch von ihrem Wahlrecht machen. Und dies bei einer Wahl, die als richtungsweisend für die nächsten Jahrzehnte gilt. Denn die Gruppe der unter 29-jährigen weist den höchsten Anteil an Nichtwähler*innen auf und ist somit die am stärksten unterrepräsentierte Gruppe in Deutschland, wenn's ums Thema Wählen geht.

Darum braucht es in der Demokratie neue Formate, die gezielt junge Menschen ansprechen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu politischen Themen zu äußern sowie Nicht-Wähler*innen für Demokratie zu begeistern und zu aktivieren.

Mit UNMUTE NOW hat die gemeinnützigen Organisation ProjectTogether jetzt ein Open-Social-Innovation-Programm gestartet,das junge Menschen dazu inspiriert, sich aktiv an bestehenden gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, zum Beispiel in sozialen Bewegungen, Parteien oder Vereinen, oder neue Möglichkeiten der Partizipation zu nutzen.

Das Wahlrecht ist ein Grundrecht, und die Welt braucht mehr Jugendliche, die bewusst entscheiden, wem sie die Geschicke der Nationen überlassen. Bild von Niek Verlaan aus Pixabay

Was sind Gründe, nicht zur Wahl zu gehen?

In einer Zusammenfassung der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur politischen Beteiligung (hier Download des PDF) junger Menschen in Deutschland führt Unmute Now unter anderem folgende Gründe auf:

  • Abkopplung von der aktuellen politischen Agenda
  • Geringere Integration in politische Institutionen
  • Allgemeine Wahrnehmung, dass Politik eine Arena für ältere Menschen ist
  • Die große, institutionalisierte Welt von Parteien und Berufspolitiker:innen erscheint vielen als fremd und abgekoppelt von ihrer Lebenswirklichkeit
  • Wer ökonomische persönliche Verluste erfahren hat, ist von der Politik enttäuscht
  • Es bestehen nicht genug Anreize, sich zu beteiligen
  • Gar nicht zu wählen wird für sinnvoller empfunden als eine Partei zu wählen, die nur teilweise die eigenen Interessen vertritt

Politisches Engagement bei Themen wie Klimaschutz oder Menschenrechte

Zu Fragen, die jungen Menschen besonders wichtig sind, engagieren sie sich  jedoch verstärkt, zum Beispiel indem sie demonstrieren, Petitionen unterschreiben oder Produkte boykottieren. Das Engagement im Rahmen von Klimaschutz und #FridaysForFuture oder auch #BlackLivesMatter oder der Aufnahme Geflüchteter in Deutschland hat dies sehr deutlich gezeigt.

Interessant ist auch, dass die Corona-Pandemie die Beteiligung junger Menschen an politischen Gesprächen erhöht hat.

So wurde häufiger mit Freund*innen über die Corona-Politik gesprochen, auch wenn Politik vorher kein Gesprächsthema im Freundeskreis war.

Junge Menschen sind druchaus politisch sehr aktiv, wenn es um Themen geht, die sie so betreffen wie der Klimawandel

Wie fördert UNMUTE NOW politische Teilhabe?

UNMUTE NOW stellt Ressourcen und Mittel für Projekte und Initiativen zur Verfügung, die die politische Begeisterung junger Menschen steigern sollen. Über 300 Bewerbungen sind bei UNMUTE NOW eingegangen, eine 13-köpfige Experten-Jury und ein 12-köpfiger Jugend-Beitrat haben 30 Initiativen ausgewählt,die junge Menschen in politische Prozesse integrieren und ihnen demokratische Teilhabe ermöglichen wollen.

Andreas Eberhardt, Geschäftsführer der Alfred Landecker Foundation, die das Programm fördert, betont: „Wir brauchen Innovationen für die Demokratie, damit sich junge Menschen aktiv beteiligen können und wollen." Um Demokratiebegesiterung zu wecken, hebt er hervor, dass UNMUTE NOW demokratischen Aktivismus mit einer Start-up-Mentalität verbindet. "Die Projekte werden schnell entwickelt, getestet und sind konsequent an den Bedürfnissen junger Menschen ausgerichtet,“so Landecker.

Nun startet ein breites Spektrum an innovativen Ideen in die Umsetzung: Von der Ansprache neuer Wähler*innen-Gruppen über Austauschformate mit politischen Vertreter*innen und neue Medienformate bis hin zu künstlerischen Angeboten.

Warum demokratische Teilhabe junger Menschen so wichtig für unsere Zukunft ist, erklären UNMUTE NOW und ProjectTogehter in diesem Video

Hier stellen wir sieben Initiativen vor:

1) Radikale Töchter

In Anlehnung an das Ziel 4 „Hochwertige Bildung" geben Radikale Töchter deutschlandweit Workshops für Erstwähler, aber auch für Unternehmen, in Form von Spielen, kreativem Brainstorming und dem Einsatz von "künstlerisch-aktivistischen Tools." Zudem gibt es eine Podcast-Serie, die sich mit Mut und Notwendigkeit von Wissen beschäftigt, um "Mut-Profi“" zu werden. https://radikaletoechter.de/

2) „Wir sind der Osten“

Die Initiative macht Menschen in und aus Ostdeutschland sichtbar, die unsere Gesellschaft positiv gestalten. Im Rahmen von UNMUTE NOW möchte das Team die Herausforderungen für die in den ostdeutschen Bundesländern lebenden jungen Menschen angehen - dort, wo der Anteil der Nichtwähler*innen besonders hoch ist. https://wirsindderosten.de/

3) Crowd Countern

Kommentieren statt Ignorieren – unter diesem Motto setzt sich die Initiative gegen Hassrede im Internet ein. Sie organisiert digitale Counter-Speech-Events, bei denen sich junge Menschen treffen und gemeinsam auf die Kommentare reagieren, die problematisch sind und nicht unkommentiert bleiben sollten. (Zum Thema Hassrede im Internet“ hier ein Beitrag der Telekom)https://crowd-countern.de/

4) TALK-Projekt

TALK ist ein inklusives Hip-Hop-Projekt für Jugendliche, die Ausgrenzung erfahren haben, und durch Rap- und Tanzworkshops eine Stimme dagegen finden. Ein kreativer Beitrag zu Ziel 10 - Weniger Ungleichheit, der den Fokus auf Anti-Diskriminierung, Anti-Rassismus und Empowerment durch eine ansprechende Kunstform der Musik, die die jungen Menschen bereits hören. https://talkprojekt.de/

5) Landlichter

Ein VW-Bus, ein mobiler Kocher, ein Volleyballnetz, ein Wikingerschach, zwei Kameras, vier Parkbänke und 3 bis 7 Jugendliche - so reist Landlichter in die entlegensten Dörfer und kommt ins Gespräch. Um Frustrationen und Leidenschaften aufzuschnappen, ermutigt Landlichter Jugendliche aus dem ländlichen Raum zu Gesprächen über Partizipation, Wahlen und Themen wie Generationengerechtigkeit etc. http://poweron-org.com/

6) Yani Politik:

Die Initiative bringt Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Politik näher und zeigt ihnen, wie sie Politik und damit ihre Zukunft gestalten können. Dabei fungieren junge Politiker*innen, Aktivist*innen und insbesondere politisch engagierte Jugendliche mit Migrationsgeschichte als Vorbilder. Die Themen werden mit Livetalks, Info-Slides, Memes und Videostatements vermittelt. https://www.diverseyoungleaders.com/

7) Karakaya Talks

Talkrunden mt diversen Gästen, die über alles zwischen Pop, Politik und mehr sprechen. Zur Show eingeladen sind Menschen, die gewöhnlich in der deutschen Medienlandschaft nicht zu Wort kommen. Karakaya Talks möchte mit den Diskussionen empowern und aufklären. Die 20- bis 60-minütigen Talkrunden werden auf YouTube veröffentlicht. Diese werden in einer monatlichen Frequenz plus wöchentlich ergänzendem Content auf Instagram gefüllt. https://www.instagram.com/karakayatalks/

„Dass die Jury aus über 300 Bewerbungen auswählen konnte, zeigt, wie groß die Notwendigkeit ist, demokratische Beteiligung zu stärken. Wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit mit den vielen Initiativen. Gemeinsam erproben wir neue Formate, Inhalte und Kanäle und wollen konkret zeigen, wie eine Politik 2.0 für junge Menschen aussehen kann." – Henrike Schlottmann, Geschäftsführerin von ProjectTogether

Headerbild: @Brooke Cagle, unsplash